IAWO - Budoseminar 2002

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Das wohl größte Ereignis im Veranstaltungskalender der IAWO ist das jährlich stattfindende Internationale Budoseminar. Bereits zum 10. Mal Empfing der Präsident der IAWO Shihan Wolfgang Gröger (10. Dan) international anerkannte Budo-Lehrer aus den verschiedensten Kampfsportarten zu diesem einzigartigen Lehrgang in Bayreuth, am 04.05.2002.

Der ursprüngliche Gedanke dieser Veranstaltung war ein Erfahrungsaustausch unter den Budolehrern, die Fortbildung der IAWO-Mitglieder und aller anderen Teilnehmer in der Vielfalt des Budo. Natürlich komprimiert sich eine derartige Veranstaltung zu einer Essenz aus verschiedenen Nahkampfsystemen, die grundsätzlich im Rahmen der IAWO gefördert werden. Bis zum heutigen Tag konnte die IAWO diese kleine Tradition pflegen und durch neue Angebote und weitere Qualifikationen der Lehrer verbessern.

In diesem Jahr präsentierte Gröger den ca. 40 Teilnehmern 18 Kurse in verschiedenen Budo-Disziplinen, welche jeweils von zum Teil international bekannten Dan-Trägern geleitet wurden. So sind Namen wie Shihan Wolfgang Gröger (10. Dan), Shihan Walter Neubauer (9. Dan), Shihan Jürgen Kampa (6. Dan), Shihan Markus Wenzel (6. Dan) und Kyoshi Rüdiger Schmiedel (5. Dan) nicht nur unter IAWO-Mitgliedern bekannte und gefragte Ausbilder. Auf Veranstaltungen und Lehrgängen im In- und Ausland konnten sich bereits viele Budo-Freunde von dem Können dieser Meister überzeugen und von deren Erfahrungen profitieren. Leider ließ sich aus privaten Gründen Shihan Armin Dörfler (10. Dan), aus Nürnberg kurzfristig für den Lehrgang entschuldigen.

Obwohl dieses Aufgebot an Meisterlehrern bereits für Spannung sorgte, gab Gröger diesmal auch jüngeren Dan-Trägern die Möglichkeit, ihr Können und Wissen weiterzugeben. Dadurch wurde der Lehrgang noch um einiges bereichert und die "Meister von morgen" sammelten auf diese Art erste Eindrücke als Lehrer auf solch großen Veranstaltungen. Mit Europameister Thomas Renner (4. Dan), Ralf Kürschner (4. Dan), Jörg Daubenmerkel (3. Dan) und Dominik Salosnig (1. Dan) traf Gröger sicher eine gute Wahl. Gröger meint, es sei an der Zeit, nun verstärkt an den Nachwuchs qualifizierter Budolehrer zu denken.

Dass die IAWO einen solchen Lehrgang so günstig anbieten konnte, verdankt sie dabei letztlich dem überdurchschnittlichen Einsatz ihres Präsidenten Wolfgang Gröger und dem Engagement aller beteiligten Lehrer, die auf ihre sonst übliche Gage verzichteten.

Mit einer kleinen Eröffnungsrede dankte Gröger den Lehrern und Interessenten für ihr kommen. Dabei stellte Gröger den gespannten Teilnehmern die Übungsleiter vor und erklärte nochmals den Hallenbelegungsplan. Durch die begrenzte Zeit fanden stets drei bis vier Kurse parallel statt (Pooltraining!), und jeder Interessent konnte einen für sich passenden Lehrgangteil auswählen oder auch zwischendurch noch wechseln.

In der ersten Stunde unterrichtete Gröger Budo-Taijutsu im praxisnahen Straßenkampf für Erwachsene. In bekannter Weise erklärte er zunächst richtige Verhaltensweisen in Gefahrensituationen bzw. bei entsprechender Unsicherheit. Dabei galt die Devise: "Vermeidung ist besser als Verteidigung". Selbstverständlich gab Gröger unzählige Beispiele für die Verteidigung gegen Angreifer (auch mit den unterschiedlichsten Waffen: Messer, Kette, Pistole, Stock etc.). Die Teilnehmer konnten viel von dem unschätzbaren Erfahrungsreichtum Grögers lernen. Natürlich erklärte Gröger nicht einfach nur Techniken. Er versuchte vielmehr die Übenden an gewisse Prinzipien zu erinnern. "Einzelne Techniken werden in der Aufregung einer Gefahr vergessen oder funktionieren nicht, weil sich der Gegner anders verhält oder keine Schmerzen spürt (z.B.: bei Trunkenheit)" sagte Gröger. Dann kann sich der Betroffene sicher leichter an die allgemeinen Prinzipien der Verteidigung erinnern und sich auch mit einer "unsauberen" Technik immer noch effektiv wehren.

Grögers Meisterschüler Ralf Kürschner gab dazu parallel einen Kurs in Selbstverteidigung für Kinder. Kürschner legte viel Wert auf richtige Verhaltensregeln bei Gefahr. Besonders für Kinder ist eine Verteidigung gegen Erwachsene Angreifer sehr schwierig. Das Ungleichgewicht der Kräfte kann meist nur durch Überraschung und eine effektive und selbstbewusste Verteidigung realisiert werden. Umgekehrt sollten die Techniken gegenüber Gleichaltrigen bei einer Schulrauferei verhältnismäßig bleiben und keine schweren Verletzungen verursachen. Immer wieder erinnerte Kürschner daran, dass gerade Kinder den Abstand zum Gegner möglichst groß halten sollten. Auch nach einer Technik ist die Flucht immer noch besser als eine Festlegetechnik, die der Angreifer aufgrund seiner Stärke überwinden könnte.

Gleichzeitig hielt Thomas Renner eine Einführung in Formen (Kata) für Karate bzw. Tae-Ki-Do ab. Als aktiver Sportler erreichte er auf diesem Gebiet ein Vielzahl an Titeln und wurde unter anderem auch Europameister. Eine gute Voraussetzung für diesen Lehrgangsteil, in dem Renner zunächst erklärte, wie Techniken sinnvoll für eine Kata kombiniert werden. Wichtig für die Kata ist dabei die exakte Ausführung der Technik und das richtige Timing. Nur wenn dies gegeben ist, kann eine Kata noch mit entsprechender Musik zu einem kleinen Kunstwerk werden. Natürlich reichte die Zeit von einer Stunde nicht aus, um eine ganze Kata einzustudieren. Aber Renner zeigte den Teilnehmern einen Weg, mit dem sie selbst auf diesem Gebiet arbeiten und Erfahrungen sammeln können. Das Ergebnis der Stunde war jedenfalls schon ein anschaulicher Anfang.

Nach einer kurzen Verschnaufpause ging es in die zweite Stunde.

Shihan Gröger zeigte den begeisterten Teilnehmern eine Auswahl an Hebel- und Atemitechniken aus dem Budo-Taijutsu/Ninjutsu. Zunächst aber ermahnte Gröger die Übenden alle Techniken langsam und vorsichtig zu trainieren. Da alle angewandten Hebeltechniken früher im Kampf eingesetzt wurden, um mitunter die Gelenke des Gegners zu zerstören und ihn dadurch kampfunfähig zu machen, verbindet sich mit ihnen auch ein hohes Verletzungsrisiko beim Üben. Ebenso können Atemitechniken, die Angriffe auf Nervenpunkte des Gegners äußerst gefährlich sein. Einige Techniken auf Atemipunkte verursachen bei entsprechender Intensität schwere Störungen im Herz-Kreislauf-System oder anderen wichtigen Organen und können zu lebensbedrohlichen Verletzungen oder sogar zum Tod des Gegners führen. Gröger erinnerte aber auch daran, dass ggf. manche Vital-Punkte auch in der Heilkunst (z.B.: Shiatsu, Akupressur, Akupunktur) genutzt werden. Für die Verteidigung ist das Wissen über diese Punkte in jedem Fall hilfreich. Oft genügt schon geringer Druck mit den Fingerspitzen, um dem Gegner erhebliche Schmerzen zuzuführen ohne ihn zu verletzen. Natürlich gibt es zudem noch jede Menge empfindliche Stellen am menschlichen Körper, die z.B. durch Zwicken so "stimuliert" werden können, dass der Gegner mitunter augenblicklich vor Schmerzen von seinem Angriff ablässt.

Gröger kombinierte in diesem Lehrgangsteil Hebel- und Atemitechniken so geschickt, dass er den Angreifer völlig kontrolliert zum Boden bringen konnte ohne diesem auch nur die geringste Chance zu einer Gegenwehr zu lassen. Auch noch am Boden hielt Gröger den Gegner auf diese Weise absolut sicher.

Nebenan hielt Shihan Markus Wenzel einen Lehrgang in Ju-Jutsu ab. Dabei konzentrierte er seinen Unterricht auf Anwendungstechniken für den sportlichen Bereich, die aber auch in der Selbstverteidigung eingesetzt werden können. Wenzel kombinierte dabei geschickt Schlagtechniken mit Würfen. Diese Mischung aus Judo und Karate ist für diesen Sport charakteristisch. Wenzel zeigte einige Abwehrmöglichkeiten gegen Schlagkombinationen und beendete die Gegentechnik in der Regel mit einem Wurf, der im Wettkampf einen Punktsieg sichert.

Parallel zu diesen beiden Kursen kamen alle Freunde des Konditionstrainings auf ihre Kosten. Unter Anleitung von Dominik Salosnig brachten sich einige Teilnehmer mit "Tae-Bo-Anlehnungen" an die Grenzen ihrer körperlichen Kräfte. Das von dem siebenmaligem Kampfsport-Weltmeister und Hollywoodstar Billy Blanks begründete Tae-Bo erfreut sich weltweit so großer Beliebtheit, dass es auch in den Reihen der IAWO viele Anhänger gefunden hat. Diese Mischung aus Kampfkunst und Aerobic bildet ein komplettes Fitness-Programm für Frauen, Männer und Kinder. Es eignet sich zur Konditionierung des Körpers und wirkt unterstützend zum Gewichtsabbau.

Salosnig zeigte, wie einfach diese Techniken erlernt werden können und machte deutlich, worauf der Übende besonders zu achten hat, um den größtmöglichen Nutzen aus diesem Training zu ziehen. Mit heißer Musik unterlegt, motivierte er die Teilnehmer, welche die schweißtreibenden Übungen begeistert bis zum Ende durchhielten.

Erschöpfte aber zufriedene Gesichter traf man in der anschließenden Mittagspause an. Teilnehmer und Lehrer hatten gleichermaßen eine Ruhephase verdient.

Aber bereits nach einer guten halben Stunde sollte es weiter gehen.

"Takagi Yoshin Ryu Ju-Taijutsu" stand für alle Anhänger des Budo-Taijutsu/Ninjutsu auf dem Programm. Shihan Gröger folgte damit den Vorgaben seines Großmeisters Dr. Masaaki Hatsumi Sensei aus Japan, welcher diese Ryu als Schwerpunkt für das diesjährige Training der traditionellen Ninja-Kampftechniken aus insgesamt 9 Ryu (Schulen/Stilrichtungen) ausgewählt hat. Bezeichnend für Takagi Yoshin Ryu sind Hebel- und Atemitechniken, die stets miteinander kombiniert ausgeführt werden. Diese "weiche" Art des Kämpfens ist sicher Grögers "Königsdisziplin". Als erprobter Nahkampfspezialist baut Gröger solche Techniken auch in den verschiedensten Selbstverteidigungstechniken ein und konnte immer zeigen, dass diese damit noch viel effektiver wurden. Natürlich hielt sich Gröger in diesem Lehrgang an die traditionellen Trainingsmethoden. Aber er verwies stets auf den Bezug zur modernen Selbstverteidigung und wie traditionelle Techniken in die Praxis umgesetzt werden können.

Die Freunde des Schwertkampfes konnten parallel die Kurse von Shihan Walter Neubauer und Shihan Jürgen Kampa besuchen. Dabei gab es die Wahl zwischen japanischem und mittelalterlichem europäischem Schwert.

Techniken aus dem japanischen Ken-Jutsu sind ein Teilgebiet des Tae-Ki-Do. Kampa lehrte den Teilnehmern, das Schwert richtig aus der Saya (Schwertscheide) zu ziehen und die Schnitte präzise auszuführen. Dann machte er deutlich, dass im Ken-Jutsu nicht nur die Schneide des Schwertes zum Kampf eingesetzt wird. Oft wird der Griff des Schwertes beim Ziehen bereits in die Rippen des Gegners gestoßen, bevor der eigentliche Schnitt mit der Klinge ausgeführt wird. Kampa zeigte zudem den Kampf in verschiedene Richtungen, falls sich der Angreifer beispielsweise seitlich oder von hinten nähern sollte.

Im Gegensatz zu Japan kämpfte man im europäischen Mittelalter mit Großen zweischneidigen Schwertern. Shihan Walter Neubauer informierte die Interessenten über die Kunst des Kampfes mit diesen Waffen. Schnell wurde deutlich, dass die europäische Kampfkunst der japanischen in Nichts nachstand. So wurde das Schwert ebenso zum Schlagen und Stechen eingesetzt, und es kamen Hebel und Würfe mit zur Anwendung, die das Schicksal des Gegners rasch besiegelten. Da sich der Umgang mit den europäischen Waffen vom japanischen Ken-Jutsu deutlich unterscheidet, zeigte Neubauer einige Methoden, wie beide Klingenseiten effektiv eingesetzt und Hiebe und Stiche präzise ausgeführt werden. Dabei nutzte er ergänzend Überlieferungen und erhaltene Lehrbücher der alten Schwertmeister/Fechtlehrer aus jener Zeit.

Auch Thomas Renner nutzte nochmals die Gelegenheit eines freien Hallenteils. Fortführend zu seinem vorherigem Kurs übte er mit einigen Teilnehmern eine Kata mit Waffen. Die Waffen-Formen gehören sicher mit zu den schönsten und anschaulichsten Katas. Renner konnte dies mit seinen Kamas (japanische Reissichel) schnell zeigen. Ebenfalls wurden diese Übungen durch entsprechende Musik unterstützt.

"Pentiak Silat" stand nun auf dem Programm. Diese indonesische Kampfkunst benutzt überwiegend eine Vielzahl von kombinierten Schlägen und Tritten, um einen Angriff abzuwehren. Um diese Übungen zu realisieren, zeigte Jörg Daubenmerkel zunächst einige spielerische Übungen, welche die Koordination von Armen und Beinen förderte. Dabei ging es im wesentlichen um das miteinander üben. Anschließend begann das eigentliche Techniktraining. Anders als z.B. im Karate werden hier Angriffe nicht einfach geblockt, sondern der angreifende Arm durch schnelle kurze Schläge in eine andere Richtung gelenkt. Dadurch verliert der Gegner seine Deckung und wird ein leichtes Ziel für einen effektiven Konterschlag.

Natürlich erfordert dieses Kämpfen ein hohes Niveau an Körperbeherrschung und Schnelligkeit. Richtig ausgeführt, lässt es den Gegner jedoch nicht mehr zum Zug kommen und ist damit außerordentlich wirkungsvoll.

Auch der Messerkampf ist ein Bestandteil dieser faszinierenden Disziplin. Und auch hier wird die Wirkung durch eine Vielzahl von kombinierten Schnitten und Stichen verstärkt. Immer wieder betonte Daubenmerkel, dass die Schnitte exakt ihr Ziel treffen müssen. Diese Übungen im schnellen Rhythmus machten auch deutlich, wie gefährlich ein Messerstecher in der Praxis sein kann. Mit Markierstiften bewaffnet gingen die Teilnehmer am Ende paarweise aufeinander los. Durch die Farblinien wurde schnell deutlich, wer den Kampf gewonnen hatte und wie stark die Verletzung im Ernstfall gewesen wäre. Das Ergebnis war für die Teilnehmer sehr ernüchternd. Keiner hätte den Kampf unverletzt überstanden. Sicher ruft das auch die Aussagen Grögers und anderer Budo-Lehrer ins Gedächtnis zurück: "Ein Messerangriff gehört zu den gefährlichsten Angriffen überhaupt.... er ist nicht berechenbar... und eine Abwehr ganz ohne Verletzung auszuführen fast unmöglich.... !!!!".

Freunde des traditionelle Karate übten derweil bei Kyoshi Rüdiger Schmiedel. Mit Kombinationen von Schlägen, Tritten und Ellenbogentechniken zeigte Schmiedel traditionelles Karate in Perfektion. Immer wieder korrigierte er die Übenden und erklärte, wie eine Technik exakt ausgeführt wird, um die gewünschte Wirkung zu erzielen. Dabei machte er deutlich, in welcher Reihenfolge die Techniken kombiniert werden müssen und wie die richtige Beinarbeit die Technik unterstützt.

Obwohl sicher noch vieles über die einzelnen Kurse zu berichten wäre, lässt sich an dieser Stelle ein einziger Schluss ziehen. Das 10. Internationale Budoseminar 2002 war ein voller Erfolg. Alle Teilnehmer waren von den Kursen begeistert und verabschiedeten ihre Lehrer mit einem kräftigen Applaus. Und auch die Lehrer konnten wieder einiges voneinander lernen und besonders die jüngeren von den "alten Meistern" abschauen.

Für die Organisation ein ganz großes Dankeschön im Namen aller Beteiligten an den Präsident der IAWO Shihan Wolfgang Gröger. Vielen Dank auch an die Budo-Lehrer für ihre Unterstützung und die hervorragende Lehrgangsqualität. Nicht zu vergessen sei ein Dank an alle Teilnehmer, die trotz der Anstrengungen so fleißig übten und deren Bemühungen sicher schon bald Früchte tragen werden.

Ralf Kürschner


Links Jörg Daubenmerkel

Links Wolfgang Gröger

Links Jürgen Kampa

Recht Walter Neubauer

Rechts Markus Wenzel

Thomas Renner

Rechts Ralf Kürschner

Vorne Rüdiger Schmiedel
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